cw/tw: Suizid, Depression.
Auch wenn sein kurzes Leben am 24. Dezember 1772 bereits ein Ende
gefunden haben mag - Werther ist auch nach seinem literarischen Tode aus
der deutschen Literatur nicht wegzudenken: der Text über eine
unglückliche Liebe wird ein durchschlagender Erfolg, zum 'ersten
deutschen Bestseller' und ruft zahlreiche Nachahmer - fiktive wie reale -
hervor.
Einerseits erfährt 'Die Leiden des jungen Werthers' eine umtriebige
literarische Rezeption: diverse Autor:innen setzten sich mit dem
vielleicht populärsten Selbstmörder der deutschen Literaturgeschichte
auseinander; seit Erscheinen des Textes entstanden zahlreiche
Briefromane oder 'Wertheriaden', die Struktur und Inhalt von Goethes
Text imitieren, transformieren, parodieren. Andererseits häufen sich
auch die ganz echten Werther-Imitatoren: der Text verursacht nach seinem
Erscheinen 1774 (angeblich) eine Suizidwelle; die omnipräsente mediale
Diskussion über Werthers fiktiven Selbstmord führe (angeblich) zu realen
Selbstmorden - ein Phänomen, das später als 'Werther-Effekt' Eingang in
die Sozialpsychologie finden sollte.
Im Fokus dieses Seminars steht einerseits die Beschäftigung mit dem
Primärtext, aber auch die Auseinandersetzung mit dem 'Phänomen Werther'
aus soziologischer Perspektive. Weiterhin soll die mediale und
literarische Rezeption und Reinterpretation des Textes nachgezeichnet
werden, angefangen bei zeitgenössischen Werken bis in die Gegenwarts-
und Popliteratur, von ernsten Weiterführungen hin zu parodistischen
Auseinandersetzungen.
Andererseits sollen in diesem Seminar – über grundlegende
erzähltheoretische Beschreibungskategorien hinausgehend –
unterschiedliche literaturwissenschaftliche Methoden und Theorien
erlernt und angewendet werden, um auf das weitere Studium der
Literaturwissenschaft vorzubereiten: Die Vielfältigkeit der von diesen
Autor:innen verfassten Werther-Texte erlaubt es, unterschiedliche
Analyse- und Interpretationsmethoden exemplarisch anzuwenden, angefangen
bei psychoanalytischen, diskursanalytische, gendertheoretischen hin zu
strukturanalytischen oder raumtheoretischen Herangehensweisen. Ein Fokus
liegt dabei auf Zugriffen aus dem Bereich der Intertextualität und
Intermedialität.