Die Medientheorie war immer schon von Theorien der Zirkulation
geprägt: Seit der Entdeckung des Blutkreislaufs durch William Harvey im
Jahr 1628 fungierte dieser als Leitbild, nach dem zunächst die ideale
Stadt, der Staat und ab Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche
Kommunikationstechnologien gebildet wurden. Fortgesetzt wurde diese
Genealogie in der berühmten von Ernst Kapp geprägten
Organprojektionsthese (später auch bei McLuhan), der zufolge
Nervensystem und Telegraphie der gleichen mechanischen Logik folgten.
Dies hallt noch in heute aktuellen Theorien von Social Media nach.
Das Masterseminar möchte die genannten historischen Spuren aufnehmen
und sowohl Technikphilosophie als auch Medientheorien aus der speziellen
Perspektive des Denkens in Kreisläufen beleuchten. Behandelt werden
u.a. folgende Fragen: Wie hängen Zirkulation und Kommunikation im 18.
& 19. Jahrhundert zusammen? Wie wird Zirkulation zum
medientheoretischen Modell für Sozialität (Tarde) oder für Ideale einer
nach kybernetischen Gesetzen funktionierenden Regierung? Welche
Machtaspekte gehen damit einher? Welche Folgen hat dies für das Denken
ökonomischer Kreisläufe (Marx berühmter These von der revolutionären
Kraft der Zirkulation des Kapitals folgend)? Wie werden
Zirkulationstheorien im Zusammenhang mit Architektur und Städtebau im
20. Jahrhundert maßgeblich? Welche Implikationen hat dies für
Philosophien des Verhältnisses von Mensch und Technik, wenn dieses, wie
bei Simondon als Zyklus konzipiert wird – vom Körper zum Werkzeug und
vom Werkzeug zurück zum Körper. Und nicht zuletzt: Wie lassen sich
Social Media, wie etwa Facebook, WhatsApp und Twitter, in ihrem Drängen
auf Zirkulation (Like, Reply, Retweet etc.) genauer beschreiben (und
somit das Abschöpfen von ›Zirkulationswert‹ – wenn man die Rede vom
›communicative or algorithmic capitalism‹ ernst nimmt – kritisch
beleuchten)?
Insgesamt strebt das Seminar an, in gemeinsamen Lektüren und
ausgiebigen gemeinsamen Diskussionen von Medienpraktiken und
Theorietexten die medialen Momente des In-Bewegung-Versetzens und
In-Umlauf-Bringens als maßgebliche Medienfunktionen genauer unter die
Lupe zu nehmen und auch für die Reflektion eigener Medienerfahrungen
fruchtbar zu machen.