„Wie alle Theorie
zielt auch die politische seit ihrer Stiftung bei den Griechen darauf ab, […]
das Gemeinte vor Augen zu stellen, sichtbar werden zu lassen oder zu zeigen.“
Was Friedrich Balke gleich zu Beginn seiner Studie zu Figuren der
Souveränität am politischen Denken herausstellt, das gilt umso mehr für die
politische Praxis: immer gründet sie in der Repräsentation, in der sinnlichen
Vermittlung, der Visualisierung, Verbildlichung, Inszenierung, Aufführung und
Vorstellung von Macht – vom Herrscherstandbild zur Parlamentsrede, vom
Straßenprotest zum Propagandavideo.
Ein Sonderfall
solcher Darstellung des/im Politischen ist dabei dessen Nachstellung,
die Re-Visualisierung (und Re-Vision), die Re-Medialisierung,
Re-Inszenierung und Wieder-Aufführung des zurückliegenden Ereignisses. Dort
geht es weniger um das Eingreifen ins Jetzt, um Gründungsakt oder
revolutionären Moment, sondern um deren Historisierung. Das Geschehen erscheint
vermittelt und als Wiederholung; es gehört bereits dem Archiv an; es erfährt
seine Rahmung im Nachspiel (ob Tragödie oder Farce) – zur Konsolidierung einer
politischen Gemeinschaft vielleicht, zur kritischen Neuschreibung ihrer
Erzählungen, zur Therapie ihrer Traumata.
Diesen ‚Nachstellungen‘
widmet sich das Seminar und konzentriert sich auf Fälle einer bewusst
mehrfachen Medialisierung: In Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm The Act of
Killing (2012) spielt der Führer eines indonesischen Tötungskommandos seine
politischen Morde als ‚Kinoklassiker‘ nach; Marc Lafias und Fang-Yu Lins
interaktive Installation The Battle of Algiers (2006) erlaubt die
Rekomposition von Szenen aus dem gleichnamigen italienischen Politfilm von 1965
über den algerischen Unabhängigkeitskampf; Zoe Beloff re-inszeniert Brechts Die
Tage der Commune über den Pariser Volksaufstand von 1871 in den von Occupy
besetzten Straßen Manhattans …
Im Licht
theoretischer Ansätze von Sigmund Freud und Jacques Derrida, Walter Benjamin und
Gilles Deleuze (und zugleich ohne Anspruch auf systematische Vollständigkeit
oder geschichtliche Linearität) sollen uns diese und andere Beispiele Einblick
geben in die vielgestalten diskursiven wie medialen Funktionen von
‚Nachstellung‘. Was für einen Bedeutungswandel erfährt das Politische als
Zitat, als virtuelle Realität, Re/Animation und Theater auf dem Theater?