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Medientechnologien der Übertragung und Speicherung wie Telegrafie und Telefonie, Phonographie, Fotografie und Kinematografie mussten für das Gros der Menschen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert unverständlich – ihre Mechaniken also intransparent – bleiben, da dasjenige, was sie übermittelten, gemessen an der menschlichen Wahrnehmung nicht frei von Störungen war und zudem die Sinne mehrheitlich überwältigte. Das, was sich neben dem eigentlichen Inhalt also ebenfalls ›übertrug‹ oder ›einschrieb‹, wurde daher dem Übersinnlichen oder Pathologischen statt dem Medium zugerechnet und alsbald auch mit dem Unbewussten verknüpft. Gerade die prominenteste Kulturtechniken des frühen 20. Jahrhunderts, die Psychoanalyse, ist ohne diese Medien nicht zu denken, schließlich das, was man Medien zuschrieb, nicht ohne die Psychoanalyse.

 

Es ist wiederum kein Zufall, dass sich der Begriff ›Medium‹ selbst zunächst im spiritistischen Kontext etabliert und dort eine Entwicklung und Differenzierung vom neutralen Kanal zum Medienkörper vollzieht, der – so jedenfalls die Vorstellung, die sich in Wörterbüchern und Lexika dieser Zeit findet – besetzt und aufgezehrt werden kann. Eine ähnliche Pathologisierung erfahren schließlich die Somnambulen, Nervösen und Hysterischen, deren Leiber zum Medium der Beherrschung (durch Suggestion oder Hypnose) und Affizierung (durch elektrische o.a. Stimulation) oder zum Aufführungsort innerer Leiden (ihrer eigenen Psychopathologie) und zugleich Motiv einer neuen Form der wissenschaftlichen – mediengestützten – Überwachung werden. Eine solche Berührbarkeit und Empfindungsfähigkeit wird schließlich aber auch den Medien selbst zugeschrieben, um Störungen zu erklären oder diese nicht aufgehenden Sinn-Reste in neue Praktiken und Ästhetiken zu überführen. Und zuletzt ›übertragen‹ sich die Vorstellungen nicht nur vom Übersinnlichen in einen Medienleib, nicht nur von Körpern in Medienpraxis, sondern als Zuschreibungen auch von Medium zu Medium. Als beispielhafte Fachbegriffe sind hier Resonanz, Schock oder Schwindel zu nennen.

 

Dieses an frühen Primärtexten orientierte Seminar hat zum Ziel, die Wechselwirkungen zwischen Medientechnologien und Wissenschaft sowie kultureller Aneignung am konkreten Beispiel nachzuvollziehen. Es ist chronologisch aufgebaut, um gedankliche oder experimentelle Einfassungen des Medialen über die Grenzen eines Einzelmediums hinaus als Prozess kenntlich zu machen. Es lädt ein zur genauen Lektüre der Texte, zur Bergung des Fachvokabulars sowie Erschließung der natur- oder pseudowissenschaftlichen Kontexte (etwa Wellen- und Äthertheorien, Elektrizität, Elektromagnetismus, aber auch Psychometrie/Parapsychologie).

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