"Empire and (Evil) Communications": Strukturen und Ökologien des Digitalen von Innis bis zum Darknet
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Fast vierzig Jahre vor der ersten kommerziellen Nutzung des Internets stellte der Medientheoretiker Harold Innis die These auf, dass zwischen solchen Medien, die zeitbezogen und solchen, die raumbezogen seien, unterschieden werden müsse. Demnach wären mediale Räume auch Imperien und sie müssten, um dauerhaft fortbestehen zu können, die Balance zwischen Zeitbezug und Raumbezug finden. Diese Balance geriete jedoch in Gefahr, wenn die herrschende Klasse Wissensmonopole errichte, in denen ein bestimmtes Medium deutlich den anderen Medien vorgezogen würde und der Zugang zu Wissen dadurch nicht gleichmäßig verteilt wäre (Innis 1950). Indirekt davon inspiriert verfasste Marshall McLuhan seine berühmte These, das Medium sei die Botschaft, und somit sei seine Form wichtiger noch für den Wandel von Gesellschaft und sozialem Zusammenleben als sein Inhalt. Er sprach von Verkehrsknotenpunkte zwischen heißen und kalten Medien. Heiße Medien würden in diesem Dualismus exkludieren, während kalte Medien zu hoher Inklusion führen würden. Auch Vilém Flusser sah einen Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Strukturen und den entsprechenden Kommunikationsformen (Flusser 1998). Für ihn trugen die neuen Medien, zur Entstehung ständig strömender, vernetzter Informationskanäle bei und somit zu einer utopischen Gesellschaft aus verknoteten, intersubjektiven, „telematischen” Relationen, die sich in den Städten zu „Wellentälern” verdichten und Autoritäten auslöschen würden (Flusser 1998). Der Publizist Andrian Kreye, der sich jüngst an einer Entstehungsgeschichte des ‚Digitalen Universums‘ versuchte, weist zudem darauf hin, dass „die Unterseekabel, welche die Kontinente mit dem Internet verbinden […], entlang der Seehandelsrouten der aus dem 15. und 16. Jahrhundert” (Kreye 2024: 16) verlaufen. Es zeigt sich also, Medien sind architektonisch und infrastrukturell verwoben. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren einige ausführliche Theorien zum Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Wandel und den Infrastrukturen des Internets, auch Cyberspace genannt, veröffentlicht wurden (Parks/ Starosielski 2017, Klein 2019, Plantin/Punathambekar 2019, Hesmondhalgh 2023 etc). Beachtlich ist jedoch, dass all jene Theorien sich lediglich mit dem sogenannten Surface Web (Mey 2017) also dem oberflächlichen, frei zugänglichen Teil des Internets befassen. Dabei bietet gerade der abgeschottete, anonyme Teil des Internets, das sagenumwobene Darknet, eine spezielle Eigenlogik, deren Einflüsse auf unsere Gesellschaft bisher zwar gerne populistisch ausgeschlachtet, jedoch kaum wissenschaftlich betrachtet wurden (Mey 2017). In diesem Seminar sollen daher u.a. jene Eigenlogiken des Darknets aufgearbeitet werden, um zu untersuchen, wie sich die bereits in Bezug auf das Surface Web erprobten Medien, Kommunikations- und Infrastrukturtheorien auf dieses anwenden lassen.
- Trainer*in: Susanna Kothen