Das Kunstlied (Seminar mit Praxisanteil)
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Als "innige[ ] Verschmelzung von Poesie und Musik" charakterisierte Hugo Wolf das Kunstlied gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei schrieb er der Musik eine "grausame Rolle" zu: "Die Musik hat entschieden etwas Vampyrartiges in sich. Sie krallt sich unerbittlich an ihr Opfer und saugt ihm den letzten Blutstropfen aus." Dass Wolf, einer der bedeutendsten Vertreter des Kunstlieds, die Musik als ,Vampir' charakterisierte, der sich schonungslos über die Poesie hermacht und ihr das Leben nimmt, statt sie zu beleben, ist in der Geschichte der Beziehungen von Poesie und Musik, genauer: in der Geschichte des Liedes keinesfalls selbstverständlich.
Als Wolf die zitierten Zeilen Ende des 19. Jahrhunderts schrieb, war das Lied, folgt man der Einschätzung von Walter Wiora, bereits tausend Jahre alt. Einen Großteil dieser Zeit hatte die Musik lediglich begleitende Funktion, als ,Opfer' hätte man die Poesie in diesem Zusammenhang nur bedingt bezeichnen können. Dass Wolf die Musik überhaupt als ,Vampir' und die Poesie als "Opfer" charakterisieren konnte, war der zunehmenden Aufwertung der Musik innerhalb des Lieds bis hin zur Gleichstellung beider Künste im Kunstlied zu verdanken: In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte eine durch zunehmende Selbständigkeit gekennzeichnete Vertonung von Gedichten eingesetzt, die um 1800 in das 'durchkomponierte Lied' überging, eine Liedform, in dem jede Strophe des vertonten Gedichts ihre eigene musikalische Umsetzung erfährt. Ein knappes Jahrhundert später wurde dann von Carl Koßmaly die Bezeichnung ,Kunstlied' geprägt. Hierzu führte er 1841 in der von Robert Schumann und anderen gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik aus: "In den Compositionen dieser Gattung, [.] in denen Idee, Inhalt - der innerste poetische Kern des Gedichtes durch die Melodie in erhöhter Potenz musikalisch reproduziert, gleichsam nochmals: - in Tönen - erschaffen wird, ist außerdem der Musik noch ein übersinnliches, geheimnisvoll unerklärliches Etwas einverleibt, das [.] dem bloßen Worte immer unzugänglich bleiben wird [...]" Die Musik ist hier nicht nur musikalische Reproduktion des Textes, und das Kunstlied ist bei Koßmaly mehr als nur Zusammenschluss zweier Künste, zweier Medien. Es ist eine eigene musikalische, aber textbasierte Gattung. "Die Lieder dieser Gattung", so heißt es weiter, "stehen über ihrem Texte, welcher hier nur zum äußern Anlehnungspuncte, zum irdischen Träger der zu Musik gewordenen Idee diente."
Diesem ganz speziellen, von der Forschung bis heute kontrovers diskutierten Verhältnis von Musik und Poesie, von Ton und Wort im Kunstlied widmet sich das Seminar. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher medientheoretischer Konzepte werden wir uns mit ausgewählten Kunstliedern des 19. Jahrhunderts befassen und anhand dieser die vielfältigen Beziehungen von Gedicht und Musik und ihre Bedeutung für den medialen Status des Kunstlieds, aber auch für die Interpretation diskutieren. Betrachtet werden die musikalische Umsetzung der Lyrik von u.a. Goethe, Eichendorff, Mörike und Heine durch Komponisten wie Schubert, Schumann oder Wolf. Das Seminar findet in Kooperation mit dem Heinrich-Heine-Institut statt, das am Beispiel seiner Bestände zum Kunstlied in die Archivarbeit einführt.
Eine Vorbesprechung findet online statt am: Dienstag, den 1. April, 9:00 Uhr. Bitte melden Sie sich daher bis zum 30. März an. Der Link zur Vorbesprechung wird am 31. März versendet.
Der Archivbesuch findet statt am: Dienstag, den 27. Mai. Bitte reservieren Sie sich hier den Vormittag.
Im Seminarraum startet das Seminar in der Woche nach Ostern, am: Montag, den 28. April.
- Trainer*in: Olga Katharina Schwarz