- Trainer*in: Florian Schlittgen
Teamforum SoSe 21
Für alle Masterstudierende der Medienkulturanalyse, die in diesem Semester ihr Teamprojekt auf dem Teamforum präsentieren wollen.
Medien und Müll: Medienkulturwissenschaftliche Perspektiven auf das Weggeworfene und Liegengelassene
- Trainer*in: Florian Schlittgen
Medien und Müll: Medienkulturwissenschaftliche Perspektiven auf das Weggeworfene und Liegengelassene
Der gewöhnliche Umgang mit Resten und Abfall beschränkt sich auf deren Beseitigung: Sie gehören weggewischt und weggeworfen, verbuddelt, verbrannt oder verschifft, in jedem Fall also verunsichtbart. Zugleich fallen sie immer und überall an, sind Motoren lokaler und globaler Verwertungsindustrien und gehören, etwa als Mikroplastik, mittlerweile zum festen Bestandteil auch ,natürlicher' Prozesse. Wenn Abfall also das Abgefallene, Unfunktionale auch Widerliche ist, so doch niemals nur einfach Weggeworfenes. Es stellt in vielfacher Hinsicht ein Anderes dar, das in Beziehung mit uns tritt, uns organisiert und herausfordert. Müll und die Orte, an denen er gesammelt wird, können etwa als räumliche und soziale Sortiermaschinen fungieren: Nicht selten entscheiden Nähe und Distanz zu Müll über den sozialen Status eines Individuums und strukturieren das, was als Zentrum und Peripherie wahrgenommen wird. Zugleich kommt den Resten auch jenes Potential zu, eben diese Ordnungssysteme zu stören: So laden Gefundenes und Übriggelassenes auch zum Spielen und kreativen (Miss-)Gebrauch ein, Schrottplätze werden zu Orten des Abenteuers, der Imagination und verborgener Schätze und es sind schließlich menschliche (Über-)Reste, über die wir uns unserer eigenen Sterblichkeit bewusst werden.
Im Seminar unternehmen wir einen Streifzug durch diese Ambivalenz des Abfalls und befragen Filme, Fernsehserien und Performances, die sich direkt oder indirekt mit dem Ausgesonderten beschäftigen, auf ihre Potentiale ebenso wie auf ihre Ein- und Ausschlussmechanismen. Dabei wird vor allem ein medientheoretischer Blick eingenommen, der Medien selbst und den Umgang mit ihnen mit metaphorischen und realen Aspekten des Mülls verbindet. So gilt es etwa in Anlehnung an Christian Waitz zu fragen, ob das Fernsehen als "schmutziges" Medium charakterisiert werden kann oder ob der digitale Raum, mit seinen Praktiken des Zitierens und Remixens eben auch lumpenhafter, visueller Versatzstücke nicht bereist als Kultur der (visuellen) Reste zu verstehen ist.
- Trainer*in: Florian Schlittgen
"I Came Here to Laugh, not to Feel" - Affekte und Emotionen in und mit digitalen Medienkulturen
Twitter ist, wie kein anderes digitales Medium so aggressiv und in keinem anderen Medium gibt es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze. Offenbar triggert Twitter in mir etwas an: aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter zu sein - und das alles in einer Schnelligkeit, die es schwer macht, dem Nachdenken Raum zu lassen [.]." Mit diesem Tweet verabschiedete sich 2019 Grünen-Vorsitzende Robert Habeck von der Social Media Plattform Twitter, der kurze Zeit später auch seinen Facebook Account gelöscht haben sollte. Interessant an seiner Begründung ist nicht nur die (hier unliebsam erfahrene) Erkenntnis, über Twitter zirkulieren vor allem Emotionen (in diesem Fall Aggressionen), auch die Architektur generiere und strukturiere eben jene Affekte mit. Tatsächlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass über Twitter hinaus fast alle Social Media-Seiten "affektgetriebe" Medien (Reckwitz) sind, auf und mit denen Gefühle sichtbar ausgestellt und zu Motoren kommunikativer Medienpraktiken werden. Bezeichnungen wie Shitstorm oder Candystorm betiteln dabei zwei extreme Dynamiken einer Affektkommunikation im digitalen Raum und markieren zugleich ihre soziale Funktion: So können affektive Medienpraktiken einerseits in öffentliche Diskurse intervenieren und eine transnationale Empathie und Solidarität lostreten (BLM, #Me Too), andererseits als Hate Speech und Public Shaming Menschen und Institutionen ausgrenzen, diffamieren sowie - im Falle von Amanda Todd - in den Suizid treiben. Im Seminar wollen wir soziale Medien als Affekt- und Gefühlsmaschinen untersuchen. Neben der gesellschaftlichen und politischen Dimension digitaler Affektkommunikationen - die sich bereits im bloßen Ausstellen von Emotionen wiederfinden, als eine Form des Sich-Verletzbar-Machens - wollen wir jenseits von Repräsentationsdebatten Soziale Medien auf ihre affektive Struktur untersuchen. Dabei bedienen wir uns an der Kino- und Fernsehforschung (Shaviro / Kavka), da eine einschlägige Affekttheorie für den digitalen Raum bis dato fehlt. Vor allem Begriffe wie die des Körpers und der Intimität sollen hier untersucht und auf mögliche Neujustierungen befragt werden. Zugleich wollen wir unseren Blick erweitern und Gefühle als Ware (Illouz) und Kapital (Negri) perspektiveren sowie nicht zuletzt als Gegenstand von Regierungstechniken (Massumi).
- Trainer*in: Bernard Hoffmeister
Zwischen Intertextualität und (Film-)Montage: Kulturgeschichtliche Perspektiven des Zitat-Begriffs
Walter
Benjamin wollte die „Kunst, ohne Anführungszeichen zu zitieren, zur höchsten
Höhe entwickeln“. Damit wollte er auf das Potenzial von Zitaten als
ästhetisches Verfahren hinweisen. Das Zitat ist in der Kulturgeschichte
natürlich schon spätestens seit der Antike von Bedeutung. So ist die Funktion
des Zitats als Quellen-Verweis und Mittel der Autorität auch bis heute noch
recht stabil geblieben.
Das Seminar möchte versuchen das Zitat eben als jene von Benjamin angesprochene
künstlerische Form zu beleuchten und die erkenntniskritischen Möglichkeiten
ergründen. Da das Zitat eigentlich in allen künstlerischen Disziplinen eine
Rolle spielt, gilt es sich in dem Seminar etwas zu begrenzen:
Nach einem kurzen Abriss zur Kulturgeschichte des Zitats soll vor allem ein
theoretisches Fundament zur Ästhetik des Zitats an Walter Benjamin und
Hans-Jost Frey erarbeitet werden. Erweitert wird dieses mit der Einführung der
Begriffe „Intertextualität“ und „Montage“ in unsere Überlegungen. Anschließend
werden ausgewählte literarische Texte von Arno Schmidt, Walter Kempowski und
anderen auf den erarbeiteten Zitat-Begriff hin diskutiert.
In einem letzten Teil soll zumindest exemplarisch ein Medientransfer auf die
Bedeutung des Zitats im Film mit einzelnen Beispielen besprochen werden.
- Trainer*in: Marcel Roth
Übung Der Radiobeitrag
Der Radiobeitrag Radioreporter müssen viele Formate beherrschen: Moderationen mit O-Tönen, Kollegengespräche und gebaute Beiträge mit O-Tönen und Atmo. Letztere gelten bei Radiosendern oft als das klassischste Radioformat. Wodurch zeichnet sich ein gut gemachtes Radioformat aus? Wie sieht vor allem ein guter Radio-Text aus? Am Ende des Seminars hat jeder Teilnehmer einen eigenen Radiobeitrag gemacht: recherchiert, Interviews geführt, O-Töne und Atmos aufgenommen, geschnitten, getextet und produziert. Die Aufnahmen sollen die Teilnehmer selbständig vor dem Wochenend-Termin machen. Die Teilnahme am ersten Treffen, in dem es um die Grundlagen geht, ist verpflichtend!
Als Tools nutzen wir Moodle und Webex. Um O-Töne und Beitragstext aufzunehmen, wird ein Aufnahmegerät des Instituts oder ein eigenes Mikrofon empfohlen – zur Not genügt auch ein Smartphone. Um den Beitrag zu produzieren, wird ein Notebook/PC empfohlen, als Audio-Bearbeitungssoftware Audacity.
- Dozent: Jean Maureen Maher
Medientheorien und Praktiken der Zirkulation
Die Medientheorie war immer schon von Theorien der Zirkulation geprägt: Seit der Entdeckung des Blutkreislaufs durch William Harvey im Jahr 1628 fungierte dieser als Leitbild, nach dem zunächst die ideale Stadt, der Staat und ab Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche Kommunikationstechnologien gebildet wurden. Fortgesetzt wurde diese Genealogie in der berühmten von Ernst Kapp geprägten Organprojektionsthese (später auch bei McLuhan), der zufolge Nervensystem und Telegraphie der gleichen mechanischen Logik folgten. Dies hallt noch in heute aktuellen Theorien von Social Media nach.
Das Masterseminar möchte die genannten historischen Spuren aufnehmen und sowohl Technikphilosophie als auch Medientheorien aus der speziellen Perspektive des Denkens in Kreisläufen beleuchten. Behandelt werden u.a. folgende Fragen: Wie hängen Zirkulation und Kommunikation im 18. & 19. Jahrhundert zusammen? Wie wird Zirkulation zum medientheoretischen Modell für Sozialität (Tarde) oder für Ideale einer nach kybernetischen Gesetzen funktionierenden Regierung? Welche Machtaspekte gehen damit einher? Welche Folgen hat dies für das Denken ökonomischer Kreisläufe (Marx berühmter These von der revolutionären Kraft der Zirkulation des Kapitals folgend)? Wie werden Zirkulationstheorien im Zusammenhang mit Architektur und Städtebau im 20. Jahrhundert maßgeblich? Welche Implikationen hat dies für Philosophien des Verhältnisses von Mensch und Technik, wenn dieses, wie bei Simondon als Zyklus konzipiert wird – vom Körper zum Werkzeug und vom Werkzeug zurück zum Körper. Und nicht zuletzt: Wie lassen sich Social Media, wie etwa Facebook, WhatsApp und Twitter, in ihrem Drängen auf Zirkulation (Like, Reply, Retweet etc.) genauer beschreiben (und somit das Abschöpfen von ›Zirkulationswert‹ – wenn man die Rede vom ›communicative or algorithmic capitalism‹ ernst nimmt – kritisch beleuchten)?
Insgesamt strebt das Seminar an, in gemeinsamen Lektüren und ausgiebigen gemeinsamen Diskussionen von Medienpraktiken und Theorietexten die medialen Momente des In-Bewegung-Versetzens und In-Umlauf-Bringens als maßgebliche Medienfunktionen genauer unter die Lupe zu nehmen und auch für die Reflektion eigener Medienerfahrungen fruchtbar zu machen.
- Trainer*in: Jean Maureen Maher
Politik der Feindschaft. Mbembes Fußnoten
Wir vollziehen die Debatte um die Rede Achille Mbembe und dessen Rede
auf der Ruhrtriennale 2020 nach. Insbesondere werden die
Originaltexte von Achille Mbembe dazu herangezogen.
- Trainer*in: Tomy Brautschek
"Der Sound der Revolte": Akustische Medien und Gegenkultur
Politische oder ästhetische Revolutionen können auch auf ihren spezifischen Einsatz techno-akustischer Medien hin befragt werden. Dabei spielen theoretische Positionen zu Subjektivität, Popkultur, Stimmlichkeit oder Sound ebenso eine signifikante Rolle, wie auch Ansätze von kultureller Identität, Aneignung und Kulturindustrie. Dieses Seminar erarbeitet Grundlagen der Sound Studies und Poptheorie mit einer thematischen Fokussierung auf medienästhetische Zäsuren, gegenkulturelle Impulse sowie avantgardistische Klangkonzepte. Der Kurs findet online via Webex statt.
- Trainer*in: Maja Figge
Queer Theory / Queer Cinema
Das Seminar analysiert das produktive Verhältnis von Queer Theorie und (New) Queer Cinema in historischer Perspektive. Ausgangspunkt hierfür ist die Beobachtung der engen Verzahnung von insbesondere angloamerikanischer queerer Theoriebildung und queerer Film- und Medienpraktiken. So markiert etwa der Film Paris is Burning (Jennie Livingston, 1990) nicht nur die Geburtsstunde des New Queer Cinema, sondern ist auch in Judith Butlers Überlegungen zur Gender-Performativität (Gender Trouble, 1990) von besonderer Bedeutung. Entlang grundlegender Fragestellungen und Konzepte, wie u.a. Performativität, Affekt, Desidentifikation, Zeitlichkeit, Fabulation werden im Seminar Texte und Filme miteinander in Dialog gebracht, um deren ästhetische, theoretische und politische Sprengkraft auszuloten. Voraussetzung der Teilnahme ist die Bereitschaft zur Lektüre großteils englischer Texte.
Im Rahmendes Seminars ist eine Exkursion zum Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund | Köln geplant, das in diesem Jahr voraussichtlich im Juni als Hybrid-Veranstaltung stattfinden wird.
- Trainer*in: Maja Figge
Multidirektionales Erinnern
Gegen die These konkurrierender Erinnerungspolitiken (insbesondere in den USA zwischen der Erinnerung an die Shoa und der Erinnerung an die Geschichte der Sklaverei) hat der Historiker Michael Rothberg vorgeschlagen, Erinnerung multidirektional zu verstehen: in anhaltenden dialogischen Auseinandersetzungen und Interaktionen verschiedener historischer Erinnerungs- und Gedenkkulturen entsteht multidirektionale Erinnerung „durch Anleihen, Aneignungen, Gegenüberstellungen und Wiederholungen anderer Geschichten und anderer Erinnerungstraditionen“ (Rothberg 2020; Rothberg 2009:3).
Das Seminar widmet sich ausgehend von Rothbergs Konzept den Erinnerungspolitiken in der Migrationsgesellschaft, in der sich unter postkolonialen, die postnationalsozialistischen und die postmigrantischen Bedingungen verschiedene Gewaltgeschichten überlagern. Erinnerung unterliegt Aushandlungsprozessen und ist Ergebnis erinnerungspolitischer Kämpfe, wie sich an den vielen Debatten und um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Erinnerung an die Shoah ablesen lässt. Gleichzeitig sind gerade in den letzten Jahren zahlreiche künstlerische und aktivistische Arbeiten, Projekte und Interventionen entstanden, in denen multidirektionales Erinnern praktisch wird. Das Seminar rückt diese in den Mittelpunkt, um das Potential des Konzepts des „multidirektionalen Erinnerns“ für eine Erinnerungskultur auszuloten.
Literatur:
Michael Rothberg: Multidirectional Memory. Remembering the Holocaust in the Age of Decolonisation, Stanford 2009
Michael Rothberg: Das Gespenst des Vergleichs, in: Latitude, Mai 2020, https://www.goethe.de/prj/lat/de/dis/21864662.html
Zum Einlesen:
Astrid Messerschmidt: Postkoloniale Erinnerungsprozesse in einer postnazionalsozialistischen Gesellschaft – vom Umgang mit Rassismus und Antisemitismus. In: Peripherie , Nr. 109/110, 28 (2008), S. 42-60.
- Trainer*in: Maja Figge
- Trainer*in: Lisa Tracy Michalik
Post-Cinema
Das als Einführung konzipierte Seminar beschäftigt sich entlang des in den letzten zehn Jahren intensiv international geführten Diskurs zum Post-Cinema mit dem Verhältnis von Kino und Digitalität. Unter den Bedingungen der Medienimmanenz stellen sich neben der Frage nach dem Wo des Kinos ebenso wie die Fragen, Wann bzw. Was war/ist Kino? Im Zentrum der Auseinandersetzung steht der Wandel, das Werden des Kinos, oder genauer des Post-Cinema. Diese nicht teleologisch zu verstehende Transformation ist in dem problematischen und problematisierenden Präfix -post angezeigt. Entlang einschlägiger Texte zum Thema nähern wir uns den zentralen Fragestellungen, Theoretisierungen, methodischen Zugängen und Schauplätzen der Debatte. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Post-Cinema als Möglichkeitsraum eines ästhetischen und medialen Widerstandes.
Literatur zum Einlesen:
Linseisen, Elisa: Werden / Weiter / Denken. Rekapitulation eines Post-Cinema-Diskurses. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Heft 18: Medienökonomien, Jg. 10 (2018), Nr. 1, S. 203–209. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/2441.