- Teacher: Olga Katharina Schwarz
BVM 2b Das Spiel mit der Maske. Die Figur des Verräters von Klopstock bis Schleime
Im Rechtswesen des 18. Jahrhunderts galt als „Verräther“, so Zedlers Universallexikon, wer „seine anbefohlne Sachen verwahrloset“ – und zwar mit Kalkül. Der Verräter setzt auf falschen Schein, auf Heuchelei, Verstellung und Verkleidung, die ‚Mummerey‘. Vielfach tritt der Verräter oder „Mummer“ als Spieler auf, der sich seiner verschiedenen Masken nach allen Regeln der Kunst zu bedienen weiß, wenn er im Dienst der (eigenen) Sache politischen, religiösen oder Liebesverrat begeht, als Spion oder Spitzel agiert. Ihm gegenüber steht der Verratene, der durch den Treuebruch zum Opfer und nicht selten einem dritten ausgeliefert wird. Aus Leidenschaft und Rache, aus Ehrgeiz und Machtgier wird verletzt, verleumdet und verkauft, doch nur selten ist der Verräter eine simple Verkörperung des Bösen. Seine Motive sind vielfältig.
In seiner Komplexität ist der Verräter ein für die Literatur attraktives Sujet, dessen Geschichte mindestens bis in die Antike zurückverfolgt werden kann. Coriolan, Judas oder Hagen – sie stehen lediglich zu Beginn einer bis in die Gegenwart reichenden Reihe von Verrätern, die (auch) literarisch in Erscheinung traten. Mit Hilfe der narratologischen Figurenanalyse zeichnet das Seminar verschiedene Typen des Verräters wie auch die historische Entwicklung des Motivs von der Aufklärung bis in die Gegenwart nach. Die Kontinuitäten und Verschiebungen in seiner literarischen Darstellung werden anhand von Texten von Klopstock, Schiller, E.T.A. Hoffmann, C.F. Meyer, Doderer, Cornelia Schleime u.a. herausgearbeitet. Inwiefern vor diesem Hintergrund ein kulturgeschichtlicher Wandel in der Rezeption von Verrat und Verräter konstatiert werden kann, wird zu diskutieren sein.
- Teacher: Olga Katharina Schwarz
BEM 2b Weimarer Republik. Einführung in die Textanalyse
Anders als die „Pflanzen- oder Tierwelt“ lässt „sich die ‚Welt der Literatur’“, wie der Gattungstheoretiker Rüdiger Zymner es formulierte, „nicht so einfach und glatt auf Gattungen verteilen, denn literarische Gattungen sind ja immer auch historisch veränderliche, hermeneutische und theoriegeleite Konstrukte“ (Zymner 2003). Nach welchen Kriterien diese „Konstrukte“ gebildet wurden und werden, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert haben und nicht zuletzt den Sinn und Zweck einer Einteilung der Literatur in Gattungen, werden wir im Seminar erörtern. Neben der Systematik und Geschichte der Großgattungen Lyrik, Dramatik und Epik vermittelt das Seminar zudem die Grundlagen der literaturwissenschaftlichen Praxis. Anhand von lyrischen, dramatischen und epischen Texten aus der Weimarer Republik führt es in die literaturwissenschaftliche Textanalyse und -interpretation ein und gibt zugleich einen Einblick in eine literaturgeschichtliche Epoche, die in ihrer ganz eigenen Weise mit Gattungskonventionen zu spielen verstand.
- Teacher: Philippe Roepstorff-Robiano
BVM 2b - Narrative und Motive: Tod und Sterben in der Literatur des Barock und der Aufklärung (Seminar)
Leichen, Totenschädel, Sanduhren, vanitas vanitatum –
das Barock gilt mit seiner Todessymbolik als makabres Zeitalter. Diese
Epoche wird den Ausgangspunkt einer diachronen Beschäftigung mit Tod und
Sterben in der Literatur zwischen dem 17. und dem 18. Jahrhundert
bilden. Dabei wird uns zunächst die Frage beschäftigen, wie sich die
literarische Verhandlung des Todesmotivs in diesem Zeitraum verändert.
Lässt sich eine Säkularisierung feststellen? Christliche Märtyrertode
(Gryphius) und Totentänze (Bidermann, Abraham a Santa Clara), in denen
der Tod als großer Gleichmacher auftritt, verschwinden zunehmend im
Zeitalter der Aufklärung, während Erbschaftsstreitigkeiten (Luise A. V.
Gottsched), Tode als unglückliche Unfälle (Lessing) und Ablehnungen der
letzten Ölung im Zeichen des Atheismus (Diderot, de Sade) auftauchen.
Daran anschließend stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen
literarischen Gattungen mit dem Thema Tod umgehen. Insbesondere die
Tragödie wird uns interessieren, da in ihr das Sterben in Szene gesetzt
und dabei die Wechselrede als ihr Gattungsprinzip unterbrochen wird. Die
lyrische Gattung der Epikedien (Gryphius, Hoffmanswaldau, Sibylla
Schwarz, Klopstock) bringt wiederum einen persönlicheren Ton in die
Beschäftigung mit Tod und Sterben mit sich, wenn das in der Lyrik
vereinsamte Ich die Erfahrung der Endlichkeit in die Unendlichkeit von
Versen gießt. Diese gattungspoetologischen Unterschiede werfen
schließlich die Frage auf, ob der Tod nur ein Motiv unter anderen
Motiven ist, oder ob er als Ende aller möglichen Kommunikation und als
Gefahr für die Integrität und Identität der (Sprach-)Gemeinschaft eine
inhärente Funktion für die Literatur erfüllt.
- Teacher: Philippe Roepstorff-Robiano
BEM 2b Einführungsseminar Gattungspoetik
Goethes für die Germanistik folgenreiche Abhandlung aus dem West-Östlichen Divan über
die drei „Naturformen der Dichtung” Epos, Lyrik und Drama und über die
vielfältigen Möglichkeiten ihrer Vereinigung setzt die
gattungspoetologischen Experimente der Frühromantiker um 1800 voraus. Im
116. Athenäums-Fragment bezeichnet Friedrich Schlegel die romantische
Poesie als eine alle Gattungen wieder vereinigende progressive
Universalpoesie, die die Gesellschaft poetisch mache. Die Idee der
Poetisierung der Welt durch eine die traditionellen Gattungsgrenzen
sprengende Literatur schlägt sich in den Romanen, Dramen und Gedichten
der Frühromantiker nieder. Anhand dieser dynamischen Literaturepoche
werden wir uns der Frage widmen, wie wir als
Literaturwissenschaftler*innen über literarische Formen reflektieren
können, ohne dabei ihre gesellschaftliche Wirkung außer acht zu lassen.
- Teacher: Alke Mara Stuhlfauth-Trabert
BEM 2b Auf vier Pfoten und sechs Beinen - Tiere in der deutschsprachigen Literatur (Einführungsseminar)
In diesem Seminar wird anhand einer exemplarischen Auswahl von Texten in die Systematik und Geschichte der literarischen Großgattungen Lyrik, Dramatik und Epik eingeführt. Gemeinsam werden wir die Aufgabentypen der Modulabschlussklausur einüben.
Neben verschiedenen Lyrik-Beispielen stehen Texte unterschiedlicher Epochen im Vordergrund, die einen tierischen Protagonisten haben wie Ludwig Tiecks „Der gestiefelte Kater“, Theodor Storm „Der Schimmelreiter“, Marie von Ebner-Eschenbach „Krambambuli“ und Clemens Setz: „Kvaløya“.- Teacher: Florian Trabert
MGM 2a/b Heinrich Heine und die Weimarer Klassik
Die einzige Begegnung Heines mit Goethe 1824 in Weimar blieb ein weitgehend folgenloses Ereignis: Zu groß war die Distanz zwischen dem olympischen Goethe und dem jungen Heine, der gerade seinen ersten Gedichtband veröffentlicht hatte. Gleichwohl ist die (kritische) Auseinandersetzung mit den Werken Goethes und Schillers für Heine genauso prägend wie sein ambivalentes Verhältnis zur Romantik. In "Die Romantische Schule" legt Heine den Maßstab der politischen Wirksamkeit an das Werk der beiden Klassiker: Die "Goetheschen Meisterwerke […] zieren unser teueres Vaterland, wie schöne Statuen einen Garten zieren, aber es sind Statuen. Man kann sich darin verlieben, aber sie sind unfruchtbar: die Goetheschen Dichtungen bringen nicht die Tat hervor, wie die Schillerschen." Heine geht sogar so weit, im politischen Indifferentismus, den er bei Goethes Werken diagnostiziert, eine der Ursachen für die Erstarrung Deutschlands während der Restaurationszeit zu sehen. In der Gegenüberstellung des (vermeintlich) politisch indifferenten Goethe und des (vermeintlich) revolutionären Schiller manifestiert sich die Grundspannung zwischen Autonomieästhetik und Engagement, die nicht zuletzt Heines eigenes Werk kennzeichnet. Ausgehend vom Ersten Buch von "Die Romantische Schule", in dem Heine Klassik und Romantik unter dem Begiff der "Kunstperiode" subsummiert, soll seine Beschäftigung mit der Weimarer Klassik anhand der vier Dimensionen Mythos, Geschichtsphilosophie, Autobiographie und Identität/Alterität nachgezeichnet werden. Dabei werden essayistische Texte Heines ("Verschiedenartige Geschichtsauffassung", "Die Götter im Exil"), seine Lyrik (Nordsee-Zyklus, Historien) und die Reisebilder im Mittelpunkt stehen.
- Teacher: Sofie Fritz
- Teacher: Christian Heinrichs
- Teacher: Gian Marco Hölk
- Teacher: Sonja Klein
- Teacher: Nike Nohlen
Nocthene Schreibwerkstatt WS 2023/24
Die Schreibwerkstatt Nocthene ist eine literarische Plattform an der Heinrich Heine Universität, die vor elf Jahren von Studierenden und Dozierenden gemeinsam gegründet wurde. Seitdem treffen wir uns in jedem Semester mit Menschen, die sich nicht nur mit der bereits bestehenden Literatur beschäftigen, sondern auch selbst literarische Texte verfassen wollen. In den einzelnen Sitzungen diskutieren wir die von den TeilnehmerIinnen (zu wechselnd freien oder allen gestellten Oberthemen) geschriebenen Texte, experimentieren mit verschiedenen Textkomponenten (z. B. dem literarischen Dialog), Gattungen, Formen oder Schreibstilen.
Bedingungen für die Teilnahme an der Schreibwerkstatt sind:
- Interesse am und Bereitschaft zum Schreiben eigener Texte
- regelmäßige und aktive Teilnahme an den im 14-tägigen Rhythmus abgehaltenen Sitzungen (alle Termine werden in der ersten Sitzung bekannt gegeben).
Die Teilnehmerzahl ist auf 30 beschränkt. Wenn ihr an der Schreibwerkstatt teilnehmen möchtet, dann meldet euch unter Angabe eures Namens und eurer Matrikelnummer und mit einem mitgesandten, selbstverfassten Text bis zum 06. Oktober 2023 unter der Mailadresse
an.
- Teacher: Christian Heinrichs
BVM2b/BBM 2d: 'Stumme Meister schweigsamer Schüler?' Berge in der Literatur
Auf die Frage eines Journalisten, weshalb er den Mount Everest besteigen wolle, soll der britische Ausnahmebergsteiger George Mallory im Jahr 1923 geantwortet haben: „Because it’s there.” So lapidar die vielleicht berühmtesten drei(einhalb) Worte des Bergsteigens zunächst wirken, so verdeutlichen sie doch in nuce das faszinierte Staunen des Menschen - und Ende seiner beflissen-geschliffenen Rhetorik - im Anblick der Berge. Als majestätische Naturerscheinungen manifestieren sie sowohl die erhabene Schönheit als auch die schier unbezwingbare Kraft der Natur. Kailash, Kilimandscharo, Fuji, Olymp, Uluru, Mount Shasta, … Kulturübergreifend hat der Mensch Berge zur Wohn- und Wirkstätte höherer Mächte erkoren. Mit ihren imposanten Gipfeln, schroffen Steilklippen und abgeschiedenen Tälern bieten sie Geschichten auf der ganzen Welt symbolträchtige Topoi für die Auseinandersetzung von Mensch und Natur. Über die geografischen und physischen Merkmale ihrer Beschaffenheit hinaus repräsentieren sie Sehnsüchte, Herausforderungen oder spirituelle und philosophische Dimensionen. Sie stehen für das Streben nach Höherem, den Wunsch nach Selbstüberwindung und persönlichem Wachstum. Berge sind Schauplätze epischer Abenteuer, die die Protagonist:innen körperlich und geistig (über-)fordern, gleichzeitig schaffen sie einsam-kontemplative Rückzugsorte, an denen Figuren fernab der Zivilisation nach Antworten suchen oder zu sich selbst finden.
Im Seminar wollen wir literarische Bergwelten erkunden, indem wir einerseits ihre jeweiligen konzeptuellen und symbolischen Dimensionen erörtern und andererseits Konstanten und Divergenzen historisch verorten. Die Textauswahl umfasst eine verhältnismäßig große Zeitspanne (von der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis heute), sodass Sie bei aktiver Teilnahme Ihre Kenntnisse der deutschsprachigen Literaturgeschichte vertiefen; unsere Einzeltextlektüren schulen Ihre Analysefähigkeiten, wobei wir uns insbesondere im Umgang mit fachwissenschaftlichem Vokabular üben.
- Teacher: Christian Heinrichs
BVM 2c Postkoloniale Literatur von Timm bis Sanyal
Kolonialismus spielt in der deutschsprachigen Literatur nicht erst seit dem Erwerb deutscher Kolonien 1884 eine Rolle, sondern lässt sich bis in die Kreuzzüge des Mittelalters zurückverfolgen. Die literarische Auseinandersetzung mit dem Thema beschränkt sich jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein auf einzelne Autor*innen und Werke. In der deutschsprachigen Germanistik etablieren sich seit dem cultural turn zusehends postkoloniale Forschungsperspektiven, bei denen es einerseits um die Aufarbeitung kolonialer Diskurse in Werken kanonischer Autor*innen wie Kleist, Keller, Raabe u.a., andererseits um postkoloniale Relektüren im Sinne Saids ,kontrapunktischer Lektüre' geht.
Im Rahmen der wissenschaftlichen Beschäftigung hat sich eine Einteilung in eine präkoloniale, eine koloniale und eine postkoloniale Phase etabliert; unser Seminar wird sich auf Texte der postkolonialen Phase konzentrieren. Dazu werden wir literarische Texte diskutieren, die koloniale Diskurse auf einschlägige Weise verhandeln. Aufbauend auf Inhalten der Vorlesung "BVM 2a/BBM 2c: Literaturtheorien" sollen postkoloniale Ansätze (Said, Spivak, Bhabha, Zantop u.a.) erarbeitet, jeweils auf Potenzial, Grenzen und Praktikabilität hin kritisch diskutiert und exemplarisch erprobt werden. Abhängig von Ihren Forschungsinteressen perspektivieren wir unsere Zugriffe im Kontext der Diskurstheorie, Interkulturalität, Gender Studies und Memory Studies.
- Teacher: Johannes Below
- Teacher: Sonja Klein
Tutorium zu den BEM 2b-Seminaren
Wie war das nochmal mit der Peripetie? Und was ist eigentlich ein Jambus? Im Fachtutorium der NDL werden diese und andere Fragen, die aus den Seminaren BEM 2b und der Vorlesung BEM 2a übrig geblieben sind, im Fokus stehen. Dabei soll das Tutorium die Interessierten genau dort abholen, wo sie stehen und sie für die BEM 2-Abschlussklausur fit machen. In thematisch gegliederten Sitzungen werden Kerninhalte wiederholt und durch anwendungsbezogene Beispiele vertieft. Dabei werden zentrale Analyseinstrumente erarbeitet und ein kursorischer Blick in die Neuere Deutsche Literaturgeschichte gewagt. Begleitend zum Tutorium wird ein Moodle-Kurs Materialien zu Verfügung stellen.
Durch Übernahme einer kleineren schriftlichen Leistung können zudem 2 CP erworben werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, die CP über Kurzreferate zu erwerben. Das Tutorium ist ein Angebot von Studierenden für Studierende. Jeder ist willkommen – dumme Fragen gibt es nicht.